von Acki Baumann am 18.September 2012:
Ich denke, einen guten Einblick in die Geschichte unseres Vereines gibt
die aktuelle Festschrift zum 150jährigen Jubiläum. Deshalb hier der
Abdruck:
Wir Seester Schützen
Das 150 jährige Jubelfest ist nicht
das erste, dass in Seeste gefeiert wird. 1958 wurde bereits das 50
jährige Bestehen begangen und, man höre und staune, nur 29 Jahre
später (1987) das 125 jährige. Wie kann das sein?
In Seeste ticken die Uhren eben etwas
anders. Bis zu diesem Tag gingen wir offiziell davon aus, dass der
Seester Schützenverein im Jahr 1908 gegründet wurde. Es gab zwar
etliche Hinweise, daß wir eine wesentlich längere Tradition haben,
doch einen handfesten Beweis hatten wir nicht. Einen Schützenverein
versicherte uns eine ältere Seester Dame gab es „schon immer“.
Doch wie lange genau? Wir wussten es nicht. Notgedrungen hielten wir
uns an das, was die schriftliche Chronik hergab. Und das waren
Aufzeichnungen, die bis ins Jahr 1908 zurück reichten. Mündliche
Aussagen und Überlieferungen hingegen deuteten auf eine viel ältere
Schießtradition hin, die bis in die sechziger Jahre des 19.
Jahrhunderts zurückreichten.
Dann, während des sonntäglichen
Übungsschießens am 1.September 1974, erreichte uns die Nachricht,
dass die alte Seester Königscheibe, die am Hausgiebel von Otto
Schemme hing, zwecks Renovierungsarbeiten abgenommen wurde. Auf ihrer
Rückseite entdeckten wir die Initialen K.T. und die Jahreszahl 1862.
Die Berichte waren damit bestätigt, als Gründungsjahr galt fortan
das Jahr 1862 und auf das 50 jährige Jubiläum folgte das 125
jährige, nur 29 Jahre später. Eigentlich ganz logisch.
Die Schützenscheibe des Herrn
K-Punkt-T-Punkt haben wir liebevoll renoviert und heute ziert sie
hinter Glas das Vereinsheim. Sie wurde zur Vorlage für unsere
Königsscheiben, die seit 1972 am Hausgiebel aller Könige aufgehängt
wird. Ausnahmslos alle Exemplare bis einschließlich 2009, also 37
Stück an der Zahl, wurden von Stellmachers Erich (Hackmann)
gefertigt und in liebevoller Handarbeit von Hans Diepen bemalt. Seit
2010 bestehen sie nun aus Metall. Die Handfertigung musste aus
Altersgründen leider eingestellt werden.
Ebenfalls hinter Glas bewahren wir die
beiden Vereinsfahnen auf, sofern sie nicht auf einem der zahlreichen
Anlässe repräsentieren. Die ältere der beiden löste bereits im
Jahre 1929 die schwarz-weiß-rote, verblichene Ur-Fahne ab, deren
Alter nicht überliefert ist und die 1945 an die Besatzer abgegeben
werden musste. Zum Jubelfest 1987 haben wir die neue Fahne
angeschafft und geweiht. Als Motiv trägt sie unser Ehrenmal. Die
altgediente Fahne nahm ihren Ehrenplatz im Schützenhaus ein.
Herz und ureigenes Anliegen eines
Schützenvereins ist natürlich die Pflege des Schießsports. Und,
gemessen an heutigen Sicherheitsstandards, muten die Berichte aus
früheren Zeiten ziemlich abenteuerlich an. Die ersten Aufzeichnungen
berichten vom Schießen in der „Grutkuhle“ (Roter Berg) oder
es wurde beispielsweise schon mal in einem Wassergraben geübt,
wobei die Zielscheibe an einer Brücke lehnte. Und anlässlich eines
Schützenfestes schlug einmal eine Kugel in Merschs großer Dielentür
ein. Zu der Zeit (1920) feierten wir das Schützenfest beim
Vereinswirt Knüppe (heute Freizeitheim Seeste 60) und schossen vom
Alten Transformator in Richtung Becker/Mersch. Das allerdings hatte
mit diesem Vorkommnis ein Ende und in den folgenden Jahren schossen
wir von Bunemeyers Hof in Richtung des heutigen Scheibenstandes,
ebenfalls ohne großartige Sicherungen, aber wenigstens ins freie
Feld. Die Scheibe stand vor einem Haufen sogenannter „Buschken“
und den Weg hatten wir kurzerhand mehr schlecht als recht mit
Strohwischen gesperrt. Natürlich wurde auch das 1929 verboten.
Somit errichteten wir bereits 1931
unter viel Eigenleistung und mit Sonderspenden aller unserer
Mitglieder einen neuen Scheibenstand mit vorschriftsmäßiger
Deckung. Dieser Stand wurde 1955 erweitert und in den Jahren 1970/71
sowie 1981 modernisiert.
Er ist bis heute der Mittelpunkt des
Seester Schützenwesens. Hier trainieren wir drei Mal im Monat, hier
finden unsere Schützenfeste der jüngeren Zeit statt. Hier treffen
wir uns zu Vereinsarbeit und Geselligkeit. Welcher Schießstand darf
sich schon mit der Adresse „Im Himmelreich“ brüsten. Der Tresen
ist lang und das Bier immer passend kalt. Lauter noch als die Schüsse
zu Trainingszeiten ist das Gelächter im Schankraum. Und nicht nur
dort herrscht Fröhlichkeit. Ruhe oder Flüstern auf dem Schießstand
zur Steigerung der Treffgenauigkeit ist uns Seester Schützen fremd.
Hier werden schon mal derbe Witze erzählt, wenn die 10ner Serie
nicht abreißen will. Spaß geht vor. Dass der sportliche Erfolg
darunter nicht unbedingt leiden muss, beweisen die zahlreichen
polierten Pokale in der großen Vitrine.
Einen Brand im Jahre 1995, der den
vorderen Bereich des Schießstandes weitgehend zerstört hatte,
nahmen wir zum Anlass, dem Gebäude innen und außen ein neues
„Outfit“ zu geben. Der alte Bullerjan-Ofen, indirekt Verursacher
des Unfalls, musste einer modernen Zentralheizung weichen. Manch
einer von uns, der in dunklen Wintertagen bereits um sieben Uhr den
Ofen anheizen musste, damit wir um zehn nicht mit schlotternden Knien
den Schießstand betreten mussten, wird die neue Ära dankbar begrüßt
haben. Der „Schluck“ dient heutzutage nicht mehr dem Auftauen
verfrorener Schützen, schmeckt aber noch immer.
Auch den Ausschank-Bereich haben wir
neu gestaltet, Fenster und Tür gegen moderne Isolier-Verglasung
getauscht. Außen zieren heute rote Klinker das Gebäude.
Später, im Jahre 2005, wurden noch die
Rasengittersteine des Vorplatzes gegen Pflastersteine getauscht.
Zu einem zeitgemäßen und modernen
Schießbetrieb gehört in heutiger Zeit selbstverständlich auch eine
elektronische Anlage. Seit 1990 wurden nach und nach die
Stangenautomaten, die die Treffer viele Jahre mit kleinen
Metallfähnchen – die so manches Mal zu allen Seiten wehten –
anzeigten, umgerüstet. Heute übernimmt der Computer das
Zusammenrechnen der Punkte. Eine zweite Anzeige im Schankraum lässt
die Thekenmannschaft am Schießbetrieb teilhaben.
Widmen wir uns kurz der Geschichte der
Schützenfeste in Seeste, die neben dem „Rübenball“, dem Seester
Pendant zum Erntedankfest, einen Höhepunkt des gesellschaftlichen
Lebens unseres Dorfes darstellen. Jedes Jahr treiben wir enorm viel
Aufwand um Schützen und Gästen ein ansprechendes Ambiente zu
bieten. Das war schon immer so. Bis zum Jahre 1910 feierten wir die
Schützenfeste in einem Festzelt gegenüber von „Sieverts Hüsken“,
einem bewirtschafteten Heuerhaus neben dem heutigen Buswendeplatz.
Als der Vereinswirt Schoppmeyer dort die Gastwirtschaft aufgab um an
heutiger Stelle neu zu bauen, zog unser Schützenfest zum neuen
Vereinswirt „Knüppen“ (Seeste60) um, zunächst wiederum aufs
Zelt, ab 1914 dann auf den neuen Saal, der mit unserer Hilfe gebaut
wurde.
Bis 1920 fand das Schützenfest am
ersten Sonntag im Mai statt. Immer am 1. Mai traten wir zum
traditionellen Königsschießen an. Die verbleibende Woche nutzten
wir um Saal und Königshaus festgerecht herzurichten.
Als im Jahre 1973 die Gastwirtschaft
auf „KnüppenSaal“, mittlerweile von Familie Meyer geführt,
aufgegeben wurde, standen wir ohne Saal da. Leider konnten wir uns
nicht mit den bestehenden Seester Gastwirtschaften einigen und so
mussten wir notgedrungen die Feste in Westerkappeln feiern, was
natürlich nicht dasselbe ist wie in Seeste. Nach zwei Jahren im
„Kappelner Exil“ aber war der Saal bei Fillies im Buchholz fertig
gestellt und das Seester Schützenfest wurde wieder gefeiert, wo es
hin gehört.
Schließlich verlegten wir 1978 den
Schützenfesttermin auf das zweite Juliwochenende und feierten ab
1984 im großen Festzelt auf einer Wiese direkt am Schießstand. In
dem Maße, wie die Feste sich in ihrer Größe verkleinerten, das
Schützenhaus aber über die Jahrzehnte vergrößert worden war,
verlegte wir unser Schützenfest gänzlich in unser Vereinsheim.
Seit rund 50 Jahren bieten wir den
Jüngsten eine liebevoll organisierte „Kinderbelustigung“.
Nachwuchs ist schließlich das Kapital eines jeden Vereins und wer
weiß, vielleicht wird bei einer dieser Gelegenheiten Interesse
geweckt. Sobald unser Nachwuchs über den Lauf eines Luftgewehres die
Zehn anvisieren kann, darf er oder sie am
Kinderschützenkönigsschießen teilnehmen. Ob sich aber, wie zuletzt
Anfang des Milleniums, eine feste Jugendschießgruppe von damals ca.
15 Mädchen und Jungen zusammen findet, hängt von vielen Faktoren
ab, die nicht alle von uns beeinflusst werden können. Leider zerfiel
diese Gemeinschaft nach ein paar Jahren, als viele für Beruf oder
Studium von Seeste weg zogen. Wir hoffen nun darauf, dass zumindest
einige Sprösslinge den Weg zurück ins Dorf finden und demnächst
wieder mit Freude am Vereinsleben teilnehmen werden.
Vielleicht findet sich aber auch in der
kommenden Generation eine Gruppe, die regelmäßig und ambitioniert
dem Schießsport nachgehen möchte. Unsere Schießwarte stehen
bereit!
Einen letzten, aber bestimmt nicht
unwichtigen Schritt in die moderne Zeit sind wir passend zum
Jahrtausendwechsel gegangen. Auf der Generalversammlung im November
wurde den Damen das Recht auf vollwertige Mitgliedschaft eingeräumt.
Mag dies dem ein oder anderem eisernen Traditionalisten auch etwas
schwer gefallen sein: Seit dem ersten Januar 2000 können Damen
unserem Verein beitreten. Das klingt heutzutage eher komisch, waren
die Frauen im Grunde genommen nicht schon immer unverzichtbarer Teil
des Vereinslebens? Man stelle sich nur mal einen Schützenkönig ohne
Königin vor, oder die Feste ohne die kreative Mitarbeit der Frauen.
Der Rübenball, allein von Männern organisiert, wäre wahrscheinlich
eher ein „Kornball“ geworden.
Nur eines durften die Frauen bis dahin
nicht: Offiziell mitbestimmen. Es wurde höchste Zeit, dass zu
ändern. Heute sind die Mehrzahl der Frauen der Damenschießgruppe
auch Mitglieder des Schützenvereins. Sie bekleiden zwei
Vorstandsposten und natürlich schießen sie seitdem auch um die
Königswürde mit. Den Anfang machte Heike Cizelsky, Mitbegründerin
der Damenschießgruppe; 2003 hielt sie beim Königsschießen „voll
drauf“ und wurde erste Schützenkönigin unseres Vereins. Annegret
Munsberg legte 2006 nach und auch amtierend haben wir eine
Schützenkönigin: Elke Hackmann, die sich 2011 auch gleich die
Gemeindeschützenkönigskette sicherte.
Rückblickend auf 150 Jahre
Vereinsgeschichte können wir sagen, das sich vieles geändert haben
mag - manches davon auch nicht unbedingt zum Besseren – aber um
unsere Kameradschaft ist uns Seester Schützen nicht bange. Die ist
intakt wie eh und je.
Doch leider hat in den letzten Jahren
der Zuspruch deutlich nachgelassen, was nicht nur eine hiesige
Erscheinung ist. Das schwindende Interesse am dörflichen Leben ist
vielmehr der modernen Zeit geschuldet, in der Tradition und
Nachbarschaft nur eine untergeordnete Bedeutung beigemessen wird.
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